Nicht für jedermann
Ein Hund ist ideal um Bekanntschaften zu schließen und führt sogar zu glücklichen Ehen mit Mehrhundehaltung. Man denke nur an die „101 Dalmatiner“. Dagegen steht ein Satz einer Hundetrainerin:
„Hovawarte machen einsam.“ Meiner Kenntnis nach lebt sie in einer festen Partnerschaft mit drei Hunden. Vielleicht ist sie auch falsch zitiert worden?
Dass der Hovawart als „sportlicher Familienhund“ nicht zu jedermann passt, ist eine Hypothese. Die Gelegenheit zur Überprüfung bietet sich mir jeden Tag. Wir wohnen in einer Reihenhaussiedlung,
auf der Gassiwiese sind noch 10 aushäusige Hunde regelmäßig zu sehen. Was für Hunde mit ihren Menschen stehen und gehen da so herum außer unserer Hoviline?
Morgens um 6 und nachmittags um halb 2 ist Tarzan da, Bullmastiff-Bordeauxdoggenmix, groß, lieb, doof. Der soll schnell kacken und wieder rein und sich nicht dreckig machen. Der Hund ist es zufrieden, humpelt mit operierten Ellbogen nach Hause. Der kleine weiße Pudel Toto muss auch mal über die Wiese, bevor es ins Büro geht. Die Besitzerin ist über alles informiert, was sich in der Straße bewegt und nach 100 Metern sitzen beide im Auto. Wenn wir um halb acht zurückkommen von unserer Morgenrunde, ist da die Flexileinenjongleuse: Der Beagle kläfft wie jeden Morgen unbeeindruckt, der Shelti am anderen Arm ist still. An der Wald- und Wiesenmischung Vega kommen wir auch im Freilauf gut aneinander vorbei.
Verpasst haben wir Poppy aus dem Tierschutz, mit einem Unterkiefer, der einem deutlich größeren Hund gut zu Gesicht stünde und die Terrier-Mixe von der Hauptstraße. Die zwei Westies, die die Frau
früher Gassi führte, sind mit erheblichem Übergewicht verstorben. Joschi ist mittlerweile auch in Gefahr, Nelli hält sich noch.
Wenn wir vor der Arbeit noch mal schnell rausgehen, dann treffe ich den alten Mann mit zwei Jack Russel-Terriern: Einer an der Leine im Radius von 10 Metern tobend, der andere im Freilauf mit
größerem Radius. Der ältere Herr schätzt mich nicht: Nachdem er seinen Hund aufforderte, sich von meiner „mal Bescheid geben zu lassen“, wurde ich unhöflich. Manchmal treffe ich auch Traute.
Nachdem die alte trotz Reanimation mit 14 das Zeitliche segnete, gab es vor drei Jahren eine neue Dackeline. Größter Fehler war die Lebhaftigkeit der jungen Hündin. Der ist inzwischen behoben.
Ich kenne den Hund nur an der Leine, auch im eingezäunten Garten. Täglich um 17 Uhr wird ein Ball aus der Plastikkiste geholt, den die Hündin dann zehn Minuten anbellt. Der Besitzer sitzt
daneben, der Ball kommt wieder in die Kiste. Den Mops seh ich nur ab und zu. Der fährt mit Benz vor, läuft 25 Meter, wird dann am Geschirr nach oben gehievt und wieder auf die Rückbank
verfrachtet. Die ebenfalls übergewichtige Herrin kann sich schlecht bücken, und der Hund ist mit jedem Hüpferle in den Fußraum überfordert. Nachmittags wartet dann die Drittklässlerin mit ihrem
Shi-Tzu LiSi auf mich, der Hund zerrt sein zeterndes Anhängsel über die Grashalme. Von der andren Seite kommt leinenlos Spike, ein Zwergdackelmix,
der außer dem Haus und dieser Wiese noch nichts im Leben gesehen hat. Die gleich kleine Vorgängerin wurde versehentlich bei Gartenarbeiten mit einem umstürzenden Eisenbahnbohlen erschlagen.
Abends gab es einen neuen Hund, länger ließ sich der Schmerz nicht aushalten. Den Labrador 3 Häuser weiter treffe ich fast nie, den
Yorkshire-Verschnitt aus Südeuropa zum Glück auch nicht. Der hat nämlich Angst und blockiert pöbelnd 4 Meter weite Wege, während mein großer dunkler Hund und ich uns vorbei quetschen. Ich
zähneknirschend, sie freundlich. An guten Tagen treffen wir Luna, Irish Setter, oder Angus, Border Collie, beide so erzogen, so dass eine kurze Spielrunde für alle ganz nett ist.
Fazit: Meinen Hund hab ich bei mir, weil ich mit ihr zusammen sein will. Leute treff ich anders.
Nachtrag: Gestern hab ich mit einer 75-jährigen Dame aus unserer Ortsgruppe telefoniert. Zwei Hovawartrüden hatte sie, jetzt geht das nicht mehr. „Aber stellen Sie sich vor: Vor kurzem hatte ich einen Dalmatiner in Pflege!“ Pause. Ein anderer Hund als Hovawart? „Kommt gar nicht in Frage.“